2011 hat noch niemand etwas von “Weltmarkführern” aus Südwestfalen gehört – und nur wenige wussten um das Ausmaß der Wirtschaftsstärke der gesamten Region. Das hat sich rapide geändert. Vor genau 10 Jahren, im Februar 2011, wurden dafür die Weichen gestellt. 30 Institutionen und Unternehmen gründeten damals den Verein “Wirtschaft für Südwestfalen”, um – gemeinsam mit den fünf Kreisen der Region – ein Regionalmarketing für die Region von Siegerland, Sauerland und Soester Börde zu etablieren. Zehn Jahre später haben sich dem Verein nunmehr 360 Unternehmen und Institutionen angeschlossen. Eine starke Marke wurde entwickelt und dutzende Projekte umgesetzt, um Fach- und Führungskräfte sowie Schüler*innen und Studierende auf die Region aufmerksam zu machen. Geleitet und umgesetzt wird das Regionalmarketing von Anfang an durch die Südwestfalen Agentur GmbH in Olpe.
Im Gespräch blicken wir zurück und voraus mit Marie Ting, der verantwortlichen Leiterin des Regionalmarketings Südwestfalen, mit Theo Melcher, dem Aufsichtsratssitzenden der Südwestfalen Agentur GmbH und mit Thomas Frye, dem Geschäftsführer des Vereins „Wirtschaft für Südwestfalen“:
Herr Frye, Sie begleiten den Verein von Beginn an. Warum hat dieser sich überhaupt gegründet und was waren die ersten Schritte?
Th. Frye: Der Fachwelt in den Industrie- und Handelskammern, den Arbeitgeberverbänden und in den Organisationen des Handwerks war natürlich bewusst , dass wir wirtschaftlich als Region stark aufgestellt sind. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung war das kaum bekannt! Gleichzeitig zeichnete sich das Thema Fachkräftemangel eindeutig ab. Das ging und geht auch an unseren vielen familiengeführten und oftmals international erfolgreichen Unternehmen nicht vorbei. Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie selbst ebenso wie die Region mehr für das Image und die Wahrnehmung tun müssen. Deswegen haben wir gemeinsam mit weiteren Unternehmen und Institutionen den Verein gegründet, um uns zu organisieren und das Regionalmarketing anzustoßen. Seite an Seite mit den fünf Kreisen der Region wurden wir dann als Verein Gesellschafter der Südwestfalen Agentur GmbH. Diese beauftragten wir mit der Ausarbeitung und Umsetzung eines Regionalmarketing-Konzeptes. Uns war damals bewusst, dass es hier nicht nur um bunte Bilder, sondern vor allem um einen echten Markenbildungsprozess ging.
Welche Botschaften standen bereits zu Beginn fest?
Th. Frye: In einem ersten Workshop haben wir den USP – also das Alleinstellungsmerkmal ermittelt: Dass bei uns der Mensch und der Handschlag noch zählen. Daraus ist dann später die Marketing-Kampagne “Südwestfalen – Alles echt” geworden, die bis heute trägt. Glaubwürdigkeit und Authentizität waren und sind uns wichtig. Und alles, was wir im Regionalmarketing behaupten, können wir belegen. Als Industrie- und Handelskammern haben wir beispielsweise zu Beginn des Regionalmarketings angefangen, die Weltmarktführer in Südwestfalen zu erfassen – und herausgefunden: Fast 170 sind hier zuhause. Das ist natürlich eine tolle und starke Botschaft, die gut zu vermitteln war und die Identifikation mit der Region stark erhöht hat – nicht nur bei den Weltmarktführern selbst.
Frau Ting, Sie leiten seit dem Start das Regionalmarketing Südwestfalen bei der Südwestfalen Agentur. Eine Riesenaufgabe. Wie bewerten Sie die Entwicklung auch in der Außenwahrnehmung?
M. Ting: Wir sind als Region in den letzten 10 Jahren wirklich weit gekommen – und darauf sind wir auch stolz. Südwestfalen ist zur Marke geworden und steht inzwischen für Wirtschaftskraft, Industriestärke und Innovationskraft. Inzwischen weiß man sowohl im Landtag, als auch im Bundestag und in der heimischen Bevölkerung, dass Südwestfalen die stärkste Industrieregion in NRW ist; und gleichzeitig eben eine attraktive, grüne Region. Dahinter stecken viele einzelne Maßnahmen, aber auch viele Schultern bzw. Institutionen, die das Regionalmarketing tragen. Es ist gelungen gemeinsam mit Sauerland und Siegerland-Wittgenstein eine kluge Dachmarken-Strategie zu entwickeln.
So heißt es heute „Sauerland in Südwestfalen“ und „Siegerland-Wittgenstein in Südwestfalen“ – und es tut nicht weh! Die Dachmarke Südwestfalen hat inzwischen breite Akzeptanz gefunden. Gemeinsam können wir mehr. Es ist ein komplexer Mitmach- Prozess, der auf Win-Win-Situationen setzt und inzwischen auch bundesweit als Erfolgsbeispiel für Regionalmarketing genannt wird. Ich würde sagen: Hinter uns liegen 10 sehr intensive, anstrengende, aber erfolgreiche Jahre, was auch die Auszeichnung mit dem südwestfälischen Marketingpreis 2017 belegt. Mitunter am schönsten für mich: Inzwischen konnte ich hier ein starkes Team aufbauen – das Regionalmarketing steht somit nachhaltig auf gesunden, hochmotivierten und stabilen Beinen.
Welche Projekte wurden im Regionalmarketing inzwischen umgesetzt?
M. Ting: Zahlreiche! Wir unterstützen die Unternehmen beispielsweise beim Thema Arbeitgebermarketing, bieten Trainings an, gehen für sie auf Karrieremessen und bieten im Südwestfalen-Online-Shop viele Materialien für Bewerber an. Zudem setzen wir viele Fachkräfte-Projekte um: Unter anderem das Rückkehrerprojekt “HEIMVORTEIL”, das Projekt „IT Perspektiven“ für IT-Fachkräfte, oder auch das Projekt “PERSPEKTIVE”, bei dem wir mit den Kommunen gemeinsam am “Willkommenheißen” arbeiten, damit sich neu zugezogene Fach- und Führungskräfte und ihre Familien hier wohl fühlen. Mit den Hochschulen entwickeln wir unterrichtsgerechtes Schulmaterial über die Region. Das Gap Year Südwestfalen lädt junge Menschen ein, ein Praxisjahr zu machen und verschiedene Jobs in verschiedenen Unternehmen kennenzulernen. Mit Kommunen und Speditionen haben wir zudem inzwischen mehr als 30 Südwestfalen-Lkw umgesetzt, um Südwestfalen auf die Straße zu bringen. Für Kinder haben wir hingegen das Wimmelbuch Südwestfalen neu aufgelegt, um Südwestfalen in die heimischen Wohnzimmer zu bringen. Ob Bilderpool Südwestfalen, Sonderveröffentlichungen, oder, oder, oder: Das Regionalmarketing ist facettenreich. Wir freuen uns, dass das dynamische und starke Bild der Region mit jeder Maßnahme weiter geschärft wird.
Herr Melcher, könnte man Marketing nicht ohne einen Verein machen?
T. Melcher: Geht bestimmt. Wollen wir aber nicht. Das zeichnet uns aus. Ohne den Verein, der an der Seite der fünf Kreise steht, gäbe es das Regionalmarketing in dieser Form nicht. Das hat auch wieder etwas mit dem Zusammenhalt und der Kooperationsbereitschaft in der Region zu tun. Denn wir wollen gemeinsam etwas erreichen und möglichst viele auf dem Weg mitnehmen. Die 5 Kreise und 59 Kommunen der Region, aber eben auch Mitgliedsunternehmen. Wir wollten von Beginn an auf Mehrwerte setzen: Es existiert ein echter Baukasten für die Unternehmen, die sich im Verein für das Regionalmarketing engagieren und mit eigenen Ideen einbringen können. Inzwischen ist die Anzahl von anfänglich 30 Mitgliedsunternehmen auf 360 gestiegen – ein wahnsinniger Erfolg und ein Zeichen für den wachsenden Zusammenhalt in Südwestfalen. Gerade die gute Zusammenarbeit mit den kommunalen Stadtmarketings, und Wirtschaftsförderungen, Kammern, Hochschulen und Verbänden, wie auch mit den beiden Touristikverbänden der Region ist besonders wichtig für das Gelingen des Regionalmarketings.
10 Jahre liegen hinter dem Regionalmarketing – doch was liegt vor Ihnen? Wie blicken Sie insgesamt zurück und nach vorne?
Th. Frye: Der Blick zurück zeigt mir, dass wir in der Vergangenheit vieles richtig gemacht haben. Mehr denn je gilt heute der Leitspruch des Regionalmarketings „zusammen sind wir stark“. Gerade in den letzten Wochen sind trotz Pandemie wieder einige neue Mitglieder in den Verein eingetreten. Das Ausmaß der Pandemie für die Region lässt sich natürlich noch nicht abschätzen. Resignation würde jedoch nicht zur Anpacker-Mentalität in der Region passen – man sieht das daran, welche kreativen Ideen die Unternehmen nun bei Hygiene-Konzepten, aber auch bei neuen Produkten und Geschäftsmodellen entwickelt haben. Die Agentur hat das kommunikativ ja gut begleitet.
M. Ting: Wir etablieren derzeit viele neue Ideen. Unser neues Format “Meet ‘N’ Match” möchte beispielsweise Studierende und Jobsuchende mit Unternehmen digital zusammenbringen. Mit einem „Online-Impulscafé“ bringen wir neue Ideen und Vernetzungsoptionen in die Unternehmen und Kommunen. Zudem forcieren wir überregionale Kooperationen, beispielsweise mit der Stadt Dortmund oder mit anderen wirtschaftsstarken, ländlichen Regionen in Deutschland.
T. Melcher: Der Regionalmarketing-Prozess hat unsere Erwartungen übertroffen und ist gut aufgestellt. Und mit Blick auf die Gegenwart bleibt es für uns eine zentrale Aufgabe, Südwestfalen als gemeinsame Klammer zu stärken und voranzubringen. Dafür wurde beispielsweise auch das neue Online Magazin “Südwestfalen Mag” ins Leben gerufen – mit ausschließlich positiven Nachrichten aus und über die Region.
Anlässlich “10 Jahre Regionalmarketing Südwestfalen” lädt die Südwestfalen Agentur Interessierte zu einer Online-Veranstaltung ein. Auf dem Facebook-Kanal “swf.echt” startet am 08. Februar 2021 um 17.30 Uhr ein Facebook-Live-Talk. Wer reinschauen möchte, kann auch gerne Fragen stellen.
Hintergrund:
Die Geschäfte des Vereins “Wirtschaft für Südwestfalen” laufen bei der Industrie- und Handelskammer in Arnsberg zusammen. Angesiedelt ist das Regionalmarketing bei der Südwestfalen Agentur. Finanziell getragen wird das Regionalmarketing von den fünf Kreisen der Region als Gesellschafter der Agentur und dem Verein “Wirtschaft für Südwestfalen” als größtem Gesellschafter.